Grußwort von Staatssekretär Dr. Ralf Kleindiek

Mitschnitt Grußwort von Dr. Ralf Kleindiek zur Gründungsveranstaltung der Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren e. V. – BISS e. V.
Lieber Herr Roth, vielen Dank für die freundliche Begrüßung, lieber Vorstand von BISS, liebe Mitglieder, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Ich freue mich hier zu sein, das ist sozusagen mein Beitrag zum Seniorentag dieses Jahr. Morgen werden Frau Bundesministerin Schwesig, von der ich Sie sehr herzlich grüßen soll und unsere Parlamentarische Staatssekretärin Caren Marks hier sein. Vielleicht ergibt sich ja die eine oder andere Gelegenheit, sich zu treffen.
Ich freue mich, dass aus der Anfrage von Wolfgang Vorhagen bei der Fachtagung für schwul-lesbisches Wohnen im Alter im Januar, dieser Termin entstanden ist. Vor allem aber freue ich mich über die erfolgreiche Gründung von BISS. Das ist eine tolle und notwendige Sache, was schon mehrfach gesagt wurde und sicherlich auch heute nochmals deutlich werden wird.
An dieser Stelle möchte ich Herrn Schupp zitieren, der im März 2010 bei einer Veranstaltung in Köln gesagt hat: „Ältere und gar hochaltrige schwule Männer sind noch lange nicht in der Gesellschaft angekommen. Manche von ihnen benötigen Hilfestellung, sich selbst zu finden. Andere benötigen Stärkung, um zu ihrer Identität zu stehen. Alle hingegen benötigen eine Lobby, die ihre Anliegen in die Politik hineinträgt und sie dort vertritt.“
Die Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist ab heute diese Lobby. Es ist wichtig und gut so, dass es diese Lobby jetzt gibt, und ich möchte Ihnen, im Sinne der gemeinsamen Sache, viel Erfolg wünschen. Außerdem möchte ich Ihnen unsere Unterstützung in politischer, in ideeller und auch in finanzieller Hinsicht zusichern. Ich weiß ja, dass das Motto gilt: Besser ein Onkel, der Geld mitbringt, als eine Tante, die Klavier spielt. Deswegen möchte ich Ihnen sagen, dass ich heute den Bewilligungsbescheid über die Förderung der Bundesinteressenvertretung für schwule Senioren durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Höhe von 49.317 Euro mit einem vorzeitigen Maßnahmenbeginn, mitgebracht habe. Die Abwicklung wurde bereits gestartet, so dass das Geld dann auch sehr schnell zur Verfügung stehen dürfte. Wenn es etwas länger dauern sollte, melden Sie sich bitte bei mir. Dann beschleunige ich diesen Vorgang gern.
Dieses Geld zur Unterstützung ist, nach unserer festen Überzeugung, gut angelegt, weil Ihre Anliegen richtig und wichtig sind, und weil es Dinge gibt, die für Senioren – unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und Identität – gelten. Es gibt Senioren, die Unterstützung brauchen, aber es gibt auch Senioren, die sind selbstständiger und sehr aktiv. Und dann gibt es aber Besonderheiten, und Sie haben darauf hingewiesen, Herr Roth, die gelten eben für schwule Senioren ganz besonders. Da teilen wir Ihre Einschätzung, und deswegen glaube ich, dass es wichtig ist, eine Interessenvertretung zu haben, die auch hier darauf achtet, dass es genügend Möglichkeiten gibt, mit den Problemen, die schwulen Männern im Alter begegnen, umzugehen.
Ich habe in Berlin den Lebensort Vielfalt besucht, eine Mehrgenerationeneinrichtung mit Wohngemeinschaften, in der schwule Männer in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen leben können. Da habe ich gemerkt, wie notwendig es ist, solche Einrichtungen, solche Wohn- und Lebensmöglichkeiten aus den ganz unterschiedlichsten Gründen zu haben, weil schwule Männer im Alter in durchaus ähnlichen Situationen sind wie zuvor. Manche leben das ganz offen aus, andere wiederum nicht und wieder andere brauchen dann einen nötigen Rückzugsraum.
Es sind die praktischen Dinge, glaube ich, mit denen Sie sich beschäftigen müssen. Aber Sie müssen uns auch noch bei anderen Dingen auf die Füße treten, wozu ich Sie ausdrücklich ermuntern möchte. Die Politik braucht hier hin und wieder Unterstützung, gerade wenn in den politischen Lagern bisweilen manchmal die Lebenswelten und Lebensansichten auseinander gehen. Das betrifft zum Beispiel die Problematik des § 175 Strafgesetzbuch. Sie haben das auch schon – hinreichend diskret und freundlich, wie ich finde – in Ihren Verlautbarungen angekündigt. Es ist nötig, dass wir jetzt eine umfassende Rehabilitierung und umfassende Annullierung auch der Urteile nach § 175 Strafgesetzbuch in der Bundesrepublik Deutschland erzielen. Ich habe mich dafür bereits während meiner Tätigkeit im Bundesjustizministerium eingesetzt, leider erfolglos. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig hat darüber ebenfalls bereits mit dem Bundesjustizminister gesprochen und sie sind sich einig, dass der Bundesjustizminister hier aktiv werden muss. Und es ist nicht richtig zu sagen, das ist das gleiche Problem wie bei anderen Straftatbeständen, die schon mal gegolten haben in der Bundesrepublik, wie zum Beispiel Mundraub oder Kuppelei. Nein, es ist etwas anderes. Denn beim § 175 Strafgesetzbuch wird nämlich kein Ver-halten bestraft, sondern es wird ein Teil der Persönlichkeit bestraft. Wenn ein Teil der Persönlichkeit bestraft wird, dann kann die Gesellschaft mit Fug und Recht fordern, dass diese Urteile annulliert werden. Deswegen werden wir uns dafür einsetzen und hoffen, dass wir auch erfolgreich sein werden.
Lassen Sie mich vielleicht noch ein anderes oder zwei andere Themen ansprechen, oder drei, weil auch die Flagge hier so schön hängt. Wir haben ja in Berlin die Feierlichkeiten des Christopher Street Day am Samstag beendet. Für unser Ministerium hat die Regenbogenflagge geweht – Sie haben das ja vielleicht mitbekommen. Auch das war innerhalb der Bundesregierung ein Diskussionsthema im vergangenen Jahr. Ich habe im Vorfeld meine Kolleginnen und Kollegen in den anderen Bundesministerien darüber informiert. Die für die Flaggenordnung zuständige Kollegin im Bundesinnenministerium war hinsichtlich der Zulässigkeit des Hissens der Regenbogenflagge anderer Auffassung. Ein Verbot stand im Raum, womit man sich aber nicht durchsetzen konnte. Im letzten Jahr wehte die Regenbogenflagge dann drei Tage – das war ein intensiv ausgehandelter Kompromiss zwischen dem Bundeskanzleramt, dem Bundesinnenministerium und unserem Ministerium. Dieses Jahr weht die Flagge schon die ganze Woche. Es hat sich noch niemand beschwert. Sie sehen, wir leisten daher einen Beitrag dazu, so etwas zum Gewohnheitsrecht zu machen.
Ich würde noch gerne etwas anderes ansprechen, sozusagen aus Berlin nach Frankfurt. Letzte Woche wurde, wie ich finde, eine großartige, bedeutende und vielleicht auch noch nicht vollständig in ihrer Bedeutung wahrgenommene Ausstellung des Deutschen Historischen Museums und des Schwulenmuseums Berlin mit einer tollen Veranstaltung eröffnet. Über 1.300 Besucher waren anwesend. So viele, wie praktisch sonst nie bei Ausstellungseröffnungen. Homosexualitäten heißt diese Ausstellung, sie geht bis Dezember und ist in ganz unterschiedlicher Weise beeindruckend. Aber vor allem ist beeindruckend, dass das Deutsche Historische Museum sich bereitgefunden hat, diese Ausstellung wirklich überzeugend zu präsentieren, so wie ich mir das habe berichten lassen. Auch dass zum Beispiel die Bundeskulturstiftung mit Hortensia Völckers an der Spitze dieses Vorhaben sehr stark unterstützt hat, ist wirklich ein gutes und starkes Signal.
Und eine dritte Sache, die mich sehr umtreibt, ist in der letzten Woche passiert. Da hat der amerikanische Supreme Court entschieden zu der Frage: Was bedeutet Ehe nach der amerikanischen Verfassung und welche Gültigkeit hat das? Und diese Ent-scheidung ist wirklich bemerkenswert. Nicht nur für die Amerikaner, sie ist auch für die gesamte deutsche Diskussion bemerkenswert. Ich erwarte auch, dass das noch deutlich wird. Ich würde gerne aus meiner Sicht kurz, ohne dass ich hier die Zeit strapazieren will, sagen, was diese Entscheidung ausmacht und was sie bedeutet – auch für unsere Diskussion. Es wird immer schwieriger in Deutschland die Position der Gegner der Ehe für alle aufrechtzuerhalten. Die Volksentscheidung in Irland, jetzt diese Entscheidung des amerikanischen Supreme Court, die ganz zu Anfang fest-stellt: Wenn wir abhängig von der sexuellen Orientierung Ehe als Institution Men-schen vorenthalten, dann ist das ein willkürlicher Entzug von Freiheit und Eigentum. Es ist ein willkürlicher Entzug von Freiheit. Damit wird deutlich gemacht, dass es bei dem Recht zur Eheschließung um ein selbstverständliches Freiheitsrecht geht, sich unabhängig von der sexuellen Identität und Orientierung dauerhaft zu verbinden. Das ist ein wichtiger und neuer Ausgangspunkt. Die Richter haben ihr Urteil zusätzlich mit dem Anspruch auf Gleichberechtigung begründet und schließlich damit, dass der Schutz der Ehe als einzigartige intime Verbindung zweier Menschen besteht – unabhängig davon, welchen Geschlechts und welcher sexuellen Orientierung sie sind. In dem Urteil wurde zudem der Schutz der Ehe auf Familien im Allgemeinen ausgedehnt. Mit der Konsequenz, dass nun in Amerika auch das volle Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare besteht. Als fünften Punkt wurde zwar etwas pathetisch, aber meines Erachtens ganz toll angeführt: Es geht auch darum, dass Familie als elementare Glücks-, Friedens- und Regenerierungszelle des Gemeinwesens geschützt ist, die niemandem entzogen werden darf. Diese Aussage korrespondiert mit unserer Definition von Familie. Bundesfamilienministerin Schwesig und ich sagen immer, Familie ist da, wo Menschen füreinander einstehen, für einander Verantwortung übernehmen, unabhängig davon, welches Geschlecht sie haben, unabhängig davon, ob sie verheiratet sind oder nicht, unabhängig davon, ob sie verwandt sind oder nicht, in unterschiedlichen Konstellationen.
Und wir wissen aus Umfragen und auch aus unseren politischen Aktivitäten, dass Familie für viele, viele Menschen sehr wichtig ist. Und dass sie für viele Menschen ein wichtiger Rückzugsort ist, der auch Schutz bietet. Und ich finde es ganz bemerkenswert, dass jetzt der amerikanische Supreme Court geurteilt hat, dass diese Familie, dieser Rückzugsort, niemandem entzogen werden darf. Und genau das passiert, wenn Sie das genau betrachten, in der Diskussion um die Öffnung der Ehe für alle, in Deutschland. Teilweise wird argumentiert und das finde ich erschreckend: Dass das Zusammenleben in Familien und in einigen anderen Konstellationen als richtig und schützenswert betrachtet wird. Andere Konstellationen werden als nicht schützenswert und nicht in gleicher Weise richtig betrachtet. Das sind im Wesentlichen die Kernaussagen, die dieser Argumentation zugrunde liegen. Bei solchen Argumentationen müssen wir genau hinschauen und sie hinterfragen. Denn es ist wich-tig, sich klar zu machen, dass nicht nur das amerikanische Verfassungsverständnis, sondern auch das deutsche Grundgesetz Politik und letztlich auch der Gesellschaft verbietet, solche Unterscheidungen vorzunehmen. Es ist verboten, Menschen diesen Rückzugsort, diesen Schutz, diese Entfaltungsmöglichkeit vorzuenthalten. Das ist meines Erachtens eine ganz zentrale und wichtige Botschaft. Ich bin gespannt auf die weitere Diskussion innerhalb der Politik. Unsere politische Auffassung ist, dass das Ziel der Gleichstellung in Bezug auf die Ehe ohne eine Grundgesetzänderung möglich ist. Unsere Verfassung ist entwicklungsfähig genug. Die Verfassung legt ge-rade nicht ausdrücklich fest, dass die Ehe zwischen Männern und Frauen besonders geschützt ist, sondern das Grundgesetz enthält nur die Formulierung „Ehe“. Wir haben eine entwicklungsfähige Verfassung und deswegen ist die Öffnung der Ehe für alle, wenn man das will, ohne weiteres möglich. Und ich glaube, dass die Entscheidung des amerikanischen Verfassungsgerichts dafür einen wichtigen Impuls gibt.
Das waren ein paar Gedanken, die ich gerne anlässlich dieser Gründung mit auf den Weg geben wollte. Ich wünsche Ihnen alles Gute bei Ihrer Arbeit. Machen Sie uns ordentlich Druck, wenn es nötig ist, und sagen Sie Bescheid, wenn wir irgendetwas tun können.
In diesem Sinne alles Gute, herzlichen Glückwunsch und viel Erfolg.